Es war einmal ein junges Paar. Sie aus bernischem Adelshause, er der verwaiste Nachkomme eines Hufschmieds. Sie war dem Sohn eines Zürcher Kaufmanns versprochen und so mussten sich die beiden Liebenden heimlich treffen. Der verlassene Gasthof auf dem Hausberg bot ihnen Zuflucht vor dem Argwohn des Adels und den lästernden Zungen.
Eines nebligen Tages kam ein Landjäger aus dem Gürbetal ob der schlechten Sicht vom Weg ab und wollte im Gasthof auf besseres Wetter warten. Er überraschte das junge Paar, das gerade im Küchenofen ein Feuer schürte. «Sollte ich Euch nicht kennen?» fragte er etwas harsch. Die junge Frau entgegnete ihm ohne Scheu und mit überlegter List: «Ich will euch verzeihen, weil ihr wegen des Nebels nicht wisst wo ihr seid. Wir sind die Gurtners und führen diesen Gasthof in der fünften Generation. Nach uns wurde dieser Berg benannt. Und ihr kennt uns nicht?» Misstrauisch liess der Landjäger seinen Blick über die verstaubten Töpfe schweifen und meinte: «Dann kocht mir etwas Feines und ich werde euch glauben.» Um sich nicht zu verraten, machten sich die Beiden auf, ein wunderbares Mahl zu bereiten. Sie spülte die Töpfe und wusch die Karotten, die noch im Keller lagerten – er sammelte Pilze an der Waldlichtung, holte Knollensellerie vom Wegesrand und Lauch von Nachbars Feld.
Man weiss nicht, ob es die Gastfreundschaft oder eine bestimmte Zutat war, die das Gericht so unvergleichbar schmackhaft machte. Aber der Landjäger erzählte schon am Abend in der Stadt voller Begeisterung von den Gurtners und ihrem vorzüglichen Essen. Immer mehr Menschen fanden den Weg auf den Gurten, um dort zu speisen und es sich gut gehen zu lassen. Das junge Paar heiratete, nannte sich fortan Gurtner und bot allen auf dem Hausberg einen wunderschönen Platz für eine Rast bei feinem Essen. Sie empfingen Wanderer, Reisende, ja sogar heimlich Verliebte und bereiteten ihnen einen unvergesslichen Aufenthalt fernab vom Hufgetrappel auf den kopfsteingepflasterten Strassen der Stadt.
Heute noch steht das Menü der Gurtners auf unserer Speisekarte. Es erinnert daran, dass gute Geschichten auch erfunden sein dürfen, solange sich auf dem Gurten das Märchen von Gastlichkeit und Genuss für alle Besuchenden erfüllt.