Heute müssen wir uns als Arbeitgeber bewerben
Ein Interview mit dem Hüttenwart
Ein Interview mit dem Hüttenwart
In der Gastronomie geht es oft hektisch zu und her. Doch so turbulente Zeiten wie in den letzten 1 ½ Jahren hat Hans Traffelet in seiner gesamten Karriere noch nicht erlebt. Ich treffe Hans Traffelet in seinem Büro und diskutiere mit ihm über die aktuelle Geschäftslage, die Einführung des Covid-Zertifikats und über den Fachkräftemangel in der Gastronomie.
Wir durften den Gurten – Park im Grünen am 31. Mai 2021 nach über fünf Monaten Lockdown wiedereröffnen. Wie ist der Start aus deiner Sicht verlaufen?
Intern herrschte eine grosse Freude, nach so langer Zeit wieder im gewohnten Job arbeiten zu können. Nach der Eröffnung wurden wir relativ schnell wieder von regelmässigen Individualgästen besucht. Man merkte jedoch, dass noch eine gewisse Zurückhaltung bei den Gästen herrschte, und so blieben die meisten gerne draussen auf der Terrasse an der frischen Luft. Dementsprechend profitierte auch unser Take-away-Stand Bahnhöfli von der angepassten Verhaltensweise unserer Gäste.
Der Eventbereich brachte am Anfang sicher viel administrative Arbeit mit sich. So gab es viele Fragen zum Schutzkonzept, erlaubten Raumkapazitäten oder zu den Betriebsvorgaben und alle diese Fragen mussten individuell mit den Veranstaltenden geklärt werden. Zudem haben wir viele grössere Businessanfragen sehr kurzfristig erhalten, was uns vor gewisse planerische Herausforderungen stellte. Doch auch diese konnten wir mit unserem tollen Team lösen.
Der Gurten – Park im Grünen erwirtschaftet in einem normalen Jahr je 50% des Umsatzes mit B2B-Anlässen und Individualgästen. Hat sich das seit der Wiedereröffnung verändert?
Bei der Wiedereröffnung hatten wir kurzfristig einen grösseren Anteil an Individualgästen. Kurz nach Start folgten aber auch die Sommerferien, was dies unabhängig von Corona erklärt. Seit Ende der Sommerferien ist nun auch der Businessbereich wieder gut angelaufen und auf einem normalen Buchungsstand. Somit hat sich am Umsatzverhältnis eigentlich nichts gross geändert.
Letztes Jahr im Sommer hat der Gurten – Park im Grünen vom Motto «Ferien in der Schweiz» profitiert. Wie sah es diesen Sommer aus?
Man spürte nach wie vor, dass viele Menschen sich noch nicht ins Ausland wagten und die Ferien in der Schweiz verbrachten. Hiervon haben wir bestimmt auch profitiert. Der Juli war wettermässig der schlechteste Juli seit Langem und die für uns wichtigen Grossanlässe wie das Gurtenfestival und das Theater Gurten haben nicht stattgefunden. Nichtsdestotrotz konnten wir 25% mehr Umsatz erwirtschaften als im Vorjahr. Es wäre also falsch, über den Sommer zu jammern.
Wie ging man mit den Wetterkapriolen um? Lag das Gästeaufkommen dadurch unter den Erwartungen?
Ehrlich gesagt lag die Gästefrequenz nicht unbedingt unter den Erwartungen. Klar, konstante Regentage sind für uns als Ausflugsziel mit vielen Attraktionen draussen kein Segen. Aber das leicht durchzogene Wetter, wo es für in die Badi zu kalt und für ins Museum zu schön ist, ist für uns ideal. Wir sprechen bei 22 Grad und leichter Bewölkung von idealem Gurten-Wetter. Daher war es für uns nicht ganz so tragisch, dass wir kein Hochsommerwetter hatten.
Wie sieht die aktuelle Auftragslage in den Restaurants und im Eventbereich aus?
Ich wage es fast gar nicht zu sagen, aber eigentlich sieht die Auftragslage im Moment ausgezeichnet aus. Unsere vier Brunchs, welche wir jeden Sonntag anbieten, sind momentan auf drei Wochen im Voraus ausgebucht. Wir durften in den Monaten August und September zahlreiche Klein- und Grossevents veranstalten, fast wie vor Coronazeiten. Man merkt, dass aufgrund verschiedener Vorgaben oder Unsicherheiten Events viel kurzfristiger als früher reserviert werden. Daher stimmt es uns positiv, die freien Raumkapazitäten für Firmen-Weihnachtsessen noch verkaufen zu können.
Wagst du eine Prognose für den kommenden Winter?
Ich habe in den letzten 1 ½ Jahren gelernt, mich nicht mehr zu weit auf die Äste rauszulassen und bin dementsprechend vorsichtiger geworden mit Prognosen. Vorausgesetzt, dass es nicht zu einem weiteren Lockdown kommen wird, bin ich eigentlich recht zuversichtlich. Die aktuelle Nachfragesituation lässt meiner Meinung nach darauf schliessen, dass wir die Talsohle durchschritten haben und langsam, aber sicher wieder in den normalen Betriebsmodus zurückkehren.
Seit 13. September gilt eine Covid-Zertifikatspflicht für den Besuch von Gastronomie- und Eventbetrieben. Welche Auswirkungen hatte das auf den Gurten – Park im Grünen?
Alle neuen Schutzmassnahmen stellten uns bisher kurzfristig vor Herausforderungen. Aber mit einem super Team im Rücken und der Unterstützung unseres Mutterhauses Migros konnten wir glücklicherweise alles bestens meistern. Nach Einführung der Zertifikatspflicht nahm man eine andere Stimmung in unserem Betrieb wahr. Der Kontakt zu Gästen ohne Maske ist einfach ungezwungener und angenehmer und das spürt man auch bei uns. Den von einigen aus unserer Branche lautstark prognostizierten Umsatzrückgang resp. Frequenzverlust konnten wir bisher nicht feststellen. Ganz im Gegenteil: Wir haben von vielen Gästen die Rückmeldung erhalten, dass sie sich seit Einführung der Zertifikatspflicht in Restaurants wieder wohler fühlen.
Neben den uneinigen Meinungen über die Einführung der Zertifikatspflicht in Restaurants liest man in der Presse aktuell auch viel über den Fachkräftemangel in der Gastrobranche. Wie sieht diesbezüglich die Lage auf dem Gurten aus?
Zum Glück haben wir einen sehr grossen Teil an treuen und langjährigen Mitarbeitenden, welche wir auch während der beiden Lockdowns halten konnten. Wir legen sehr grossen Wert darauf, dass wir als Arbeitgeber nicht nur eine reine Arbeitsstätte darstellen, sondern einen Ort, wo sich alle bestmöglich wohlfühlen. Unsere Mitarbeitenden sollten sich stets einbringen und den Gurten aktiv mitgestalten können. Diese Sinnhaftigkeit bringt meiner Meinung nach viel mehr als reine monetäre Ansätze. Es ist aktuell schon so, dass er Arbeitsmarkt sehr ausgetrocknet ist und wir auf Stellenausschreibungen nicht mehr eine Vielzahl an guten Bewerbungen erhalten. Daher ist es umso wichtiger, als Arbeitgeber ein gutes Gesamtpaket anbieten zu können, sodass wir gegenüber unseren Mitbewerbern herausstechen können.
Man hörte, dass diverse Betriebe in der Stadt bereits angefangen haben, das Angebot oder die Betriebszeiten einzuschränken. Sind das auch denkbare Optionen für den Gurten – Park im Grünen?
Wir haben bis jetzt alles unternommen, um diese Optionen gar nicht in Betracht ziehen zu müssen. Glücklicherweise sind wir noch nicht an diesem Punkt angelangt und wir können die momentane Gästenachfrage mit unseren bestehenden Mitarbeitenden gut bewältigen. Das Angebot oder die Betriebszeiten einzuschränken, tut weh und das wäre definitiv unser letztes Mittel bei einer Mitarbeitendenknappheit.
Was unternimmt der Gurten – Park im Grünen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Wie bereits gesagt, wollen wir unsere Mitarbeitenden vom Gurten begeistern. Wir versuchen das, indem wir unsere Mitarbeitenden zum Mitgestalten und Mitentwickeln anregen. Hierzu veranstalten wir jährlich vier Infonachmittage, wo unsere Geschäftsleitung mit voller Transparenz über Umsätze, Kosten, bevorstehende Projekte oder laufende Kampagnen informiert. Dazu kommen regelmässige Workshops zu aktuellen Themen. Bei uns weiss jeder Mitarbeitende, dass er mit seiner Arbeit etwas bewirken kann. Ich könnte dir viele Beispiele aufzeigen, wo nicht die Idee der Geschäftsleitung, sondern die unserer Mitarbeitenden umgesetzt wurde. Ganz einfach weil sie besser war!
Wir haben in den vergangenen Monaten gemerkt, dass sich die Zeiten im Rekrutierungsprozess geändert haben. Heutzutage müssen wir uns als Betrieb bei den potenziellen Arbeitnehmenden bewerben. Es ist meistens so, dass nicht mehr wir auslesen, sondern die gefragtesten Arbeitnehmenden die Arbeitgeber aussuchen. Wir machen uns deshalb fit und entwickeln zusammen mit dem HR ein Rekrutierungskonzept, mit welchem es uns gelingen soll, die richtigen Botschaften auf den richtigen Kanälen zu publizieren. So sind wir überzeugt, auch weiterhin neue Fachkräfte für den Gurten – Park im Grünen begeistern zu können.
Bietet der Gurten – Park im Grünen für die Mitarbeitendenbindung spezielle Loyalitätsprogramme an?
Wir führen verschiedene Massnahmen durch, welche die Bindung unserer Mitarbeitenden an unsere Unternehmen fördern sollen. Also eines vorneweg: Zur Gurten-Familie zu gehören, ist prinzipiell schon mal sehr toll. Wir dürfen jeden Tag in einer wunderschönen Umgebung arbeiten und können zu unseren Kolleginnen und Kollegen auf Bern hinunterschauen. Als Teil der Unternehmung der Genossenschaft Migros Aare profitieren unsere Mitarbeitenden von vielen verschiedenen Benefits. So dürfen alle regelmässig und kostenlos Klubschulkurse besuchen, erhalten auf Wunsch ein vergünstigtes Fitnessabo oder profitieren für sich und ihre Familien von stark rabattierten Mobiltelefonabos.
Wir setzen uns für die Karriereplanung unserer Mitarbeitenden ein und unterstützen die Weiterbildung und -entwicklung aller engagierten «Gürteler». Und schlussendlich bin ich der festen Überzeugung, dass wenn wir unseren Mitarbeitenden die Sinnhaftigkeit ihrer täglichen Arbeit vermitteln können und sie entsprechend wertschätzen, sie dann auch lange bei uns bleiben wollen.
Welche Gründe gibt es denn deiner Meinung nach, auf dem Gurten zu arbeiten?
Eigentlich kann diese Frage nur ein Gurten-Mitarbeitender verbindlich beantworten. Ich könnte dir natürlich ganz viele Gründe nennen, wieso es «fägt», auf dem Gurten zu arbeiten. Wir haben einen wunderschönen Arbeitsplatz, ein super Team und eine gute funktionale Infrastruktur. Jeder Mitarbeitende kann sich einbringen und hat durch unseren Mehrspartenbetrieb viel Abwechslung bei der Arbeit. Ich bin nun 22 Jahre auf dem Gurten tätig und noch jedes Jahr gab es ein neues Projekt, welches wir im Team umsetzen konnten und bei dem sich unsere Mitarbeitenden bestens engagiert haben. Alles in allem bieten wir ein ausgezeichnetes Gesamtpaket auf dem Gurten, von welchem hoffentlich noch viele neue Mitarbeitende profitieren können.
Vielen Dank für deine Zeit und deine ausführlichen Aussagen.
Leiter Marketing & Sales
Vor seiner Tätigkeit auf dem Gurten – Park im Grünen war Hans Traffelet fast ein Jahrzehnt lang Geschäftsführer für Mövenpick im Casino Bern. Nach seinem Wechsel zur Genossenschaft Migros Aare leitete er bei der Wiedereröffnung des Gurten Kulm 1999 das Gastroteam, ehe er ab 2003 die Geschäftsführung übernahm.
Neben seinen Pflichten auf dem Gurten ist Hans Traffelet für die Burgergemeinde Präsident der Casinokommission, die für die strategische Führung des Casino Bern verantwortlich ist. Der 58-Jährige lebt mit seiner Frau in Bümpliz und ist Vater von zwei erwachsenen Töchtern.